ViaStoria RheinMain - Autobahn- und Straßengeschichte
ViaStoria RheinMain
Oktober 2014
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Schwerpunkte der Straßenforschung
Im Vordergrund der Forschungen zur Straßengeschichte im Rhein-Main-Gebiet steht die Vorgeschichte zur Autobahn, die Entwicklung des Autobahnbaus seit 1933 und dessen Einfluss auf städtische Straßeninfrastrukturen. Dabei sind auch die Grundlagen für den modernn Straßenbau in Deutschland zu berücksichtigen.
Forschungsfelder sind demnach die entwicklungsgeschichtlichen Aspekte des Verkehrswegs 'Straße':
Zum Verständnis der Entwicklungsgeschichte von Straßegehört auch die Beschäftigung mit der Geschichte der Verkehrsmittel (Postkutsche, Eisenbahn, Automobil) und der im Zeitablauf beobachtbaren Substitutions-Effekte.
Straßengeschichte ist jedoch nicht allein Infrastrukturgeschichte, sondern sie berührt fast alle lebensweltlichen Sphären eines Gemeinwesens. Jede Untersuchung zur Straßengeschichte trifft unweigerlich auf eine komplexe Gemengelage politischer, wirtschaftlicher, technischer, sozialer und kultureller Einflussfaktoren, die bei Forschungsprojekten immer mit zu berücksichtigen sind. Somit arbeitet die historische Straßenforschung grundsätzlich querschnittsorienti, d. h. sie greift auch auf Forschungsergebnisse aus den Disziplinen Ingenieurwesen (Straßen-, Brückenbau, Baumaterialien), Wirtschafts-, Rechts- und Verwaltungsgeschichte, Human- und Verkehrsgeographie, Kulturgeschichte u. ä. zurück.
Straßengeschichte vom 17. bis zum 19. Jahrhundert
Gebahnte oder künstlich hergestellte Straßen dienten seit jeher der Erschließung geographischer Räume für den Transport von Personen, Gütern, Informationen, Diensten und Ideen. Historisch gesehen reicht das Kulturgut 'Straße' weit zurück. Das römische Imperium schuf das erste zusammenhängende Straßennetz zur Verwaltung und Sicherung seines Eiflussgebietes.
Straßen bilden spätestens seit der Postkutschenzeit das Fundament für den regelmäßigen überörtlichen Austausch von Personen, Gütern und Nachrichten. Auf ihnen wurden schon im 17. und 18. Jahrhundert in erstaunlich kurzer Zeit große Entfernungen überwunden. Ein prominentes Beispiel dafür ist Goethes Reise nach Italien. Mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecken in Preußen bzw. den übrigen deutschen Ländern und ihrer Verknüpfung zu einem nationalen Netz wanderte jedoch der Güter- und Personenverkehr in großem Umfang auf die Schiene ab. Seit dem Ende des 'Jahrhunderts der Eisenbahn' (Ralf Roth) dominiert der Straßenbau den gesellschaftlichen Diskurs über die Beschleunigungsmöglichkeiten von Austauschprozessen.
Im 19. Jahrhundert, dem "Jahrhundert der Eisenbahn" (Ralf Roth), gerieten die Überlandstraßen für den Distanzverkehr ins Hintertreffen, ohne aber ihre Bedeutung für die Kommunikation zu verlieren. Im Gegenteil: Die neuen Eisenbahnstationen erforderten den Bau von Straßen für den Zubringer- und Abholverkehr. Um das stetig wachsende Transportvolumen zu bewältigen, füllten zusätzliche Wege für Postkutschendienste und den Frachtverkehr mit Zugtieren die Lücken im teilweise weitmaschigen Eisenbahnnetz. In Preußen und allen sonstigen deutschen Ländern wurden deshalb im 19. Jahrhundert die Straßennetze erheblich vergrößert und dabei teilweise auch die Straßenqualität (Profile, Trassierung, Unterbau und Oberfläche) verbessert. Grundlage war die in Frankreich und England entwickelte Chausseebau-Technik.
Straßengeschichte im 20. Jahrhundert
Die Konfrontation der traditionellen Straßen aus dem 19. Jahrhundert mit der ersten Welle der Automobilisierung ab 1920 schuf riesige Probleme. Die Chausseen in Deutschland waren während des Ersten Weltkrieges wegen Geld-, Material- und Personalmangels stark vernachlässigt worden. Truppenbewegungen und Besatzungszeit sorgten für weitere Beschädigungen. Die Inflation 1922/23 und die anlaufenden Reparationszahlungen verhinderten danach eine zügige Instandsetzung sowie Fahrbahnverbesserung.
Gleichzeitig drängte der stark ansteigende Kraftfahrzeugbestand die Straßenunterhaltspflichtigen zur Anpassung der Chausseen an den Automobilverkehr. Da die Kosten für Unterhalt und Reparatur explodierten, fehlten die Mittel für den dringend erforderlichen Um- und Ausbau der vorhandenen Straßen. Die ab 1922 eingeführte Kraftfahrzeugsteuer deckte den Straßenunterhalt im Durchschnitt nur zu etwa 30 %, und selbst die normalen Haushalte der Gebietskörperschaften reichten für die Aufrechterhaltung des status quo nicht immer aus. An Straßenerweiterungen, Umgehungsstraßen oder völlig neue Trassen war angesichts dieser Sachlage gar nicht zu denken. Das neue Verkehrsmittel Automobil konnte deshalb seine spezifischen Vorteile gegenüber der Eisenbahn nicht voll ausschöpfen.
Zur Lösung der deutschen Misere fehlender Fernstraßen und divergierender Ausbaukonzepte entwickelte der 1926 in Frankfurt am Main gegründete und dort ansässige HAFRABA-Verein (Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hansestädte - Frankfurt - Basel) von 1927 bis 1929 die technisch-wirtschaftlichen Grundlagen für diese 'Nur-Autostraße', diegegen eine Gebühr zu nutzen gewesen wäre. Sie sollte das im Jahr 1930 durch das Reichsverkehrsministerium festgelegte deutsche Durchgangsstraßennetz in verkehrsstarken Regionen, insbesondere zwischen Städten ergänzen, um die Vorteile des gegenüber der Eisenbahnschnelleren, flexibleren und anpassungsfähigeren KFZ-Transports dzur Geltung zu bringen.
In der ersten Phase der Ideenfindung lehnte sich der HAFRABA-Verein sehr stark an die Konzeption der 1924 eröffneten Autoban Mailand - Oberitalienische Seen an. Dies macht die große Ähnlichkeit des HAFRABA-Signets mit einer Abbildung in einer Schrift des Bauunternehmers Piero Puricelli von 1925 augenfällig.
Die Grundlagenarbeiten und Planungen des HAFRABA-Vereins schufen die Voraussetzungen, dass ohne große Vorbereitungszeit mit dem Autobahnbau im Westen der Stadt Frankfurter begonnen werden konnte.
Bedeutung der Autobahnen im Frankfurter Raum nach 1950
Seit 1950 bestimmen die beiden sich im Frankfurter Kreuz schneidenden Autobahn-Hauptachsen - die Nord-Süd-Strecke A 5 und die West-Ost-Strecke A 3 - die Koordinaten des Straßenverkehrs in der Region. Sie beeinflussten die Entwicklung der Siedlungs- und Gewerbestrukturen nachhaltig und begünstigte eine rasch voran schreitende Suburbanisierung im polyzentrischen Rhein-Main-Gebiet. Als die beiden Hauptachsen für den seit Anfang 1960 stark anschwellenden Straßenverkehr nicht mehr ausreichten, kam es zum Bau von Entlastungs- und Ergänzungsstrecken (A 67, A 45, A 66, A 648, A 661 usw.).
Ein kaum erforschtes Gebiet ist der Einfluss de
r Autobahnen auf die kommunale Straßeninfrastrukturen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich jedoch überall im Rhein-Main-Gebiet empirisch feststellen, wie sich die Ausfallstraßen an den Autobahn-Anschlussstellen orientierten. Die Autobahn-Anschlüsse bestimmten maßgeblich die Einrichtung und Expansion von Wohn- und Gewerbegebieten. Verbindungsstraßen zwischen den Gemeinden wurden mit Blick auf den Autobahn-Zubringerverkehr konzipiert und im Laufe der Zeit dem steigenden Automobilverkehr immer wieder angepasst.Ebenso sind die Wechselwirkungen zwischen Autobahnverkehr und Bereitstellung öffentlicher Verkehrsdienste in Städten und Gemeinden der Region nicht auseichend untersucht. Der Grundzusammenhang leuchtet zwar unmittelbar ein, doch fehlt es an einschlägigen Studien.
Eine verkehrswissenschaftliche Langzeitbetrachtung hat gezeigt, dass an Autobahn-Anschlussstellen die Dichte der Gewerbeansiedlungen das Siebenfache des Bundesdurchschnitts beträgt, die Dichte der Wohnsiedlungen immerhin noch das Vierfache (Studie Universität Dresden).
Nicht vergessen werden darf, dass die Massenmotorisierung der Entwicklung des ÖPNV weit vorauseilte, so dass es heute enorme Mühen kostet oder fast unmöglich ist, den in rund fünzig Jahre gewachsenen Quell- und Zielverkehr der diffusen Siedlungs- und Handelsstrukturen einigermaßen kostengünstig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bedienen.
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