ViaStoria RheinMain - Autobahn- und Straßengeschichte
ViaStoria RheinMain
Oktober 2014
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Die Kraftwagenstraße Köln - Bonn
Erste 'Nur-Autostraße' in Deutschland
Ortsdurchfahrt in Wesseling (Quelle: Kraftwagenstraße Köln - Bonn, S. 11)1929 entschloss sich der Landtag der preußischen Rheinprovinz zum Bau einer neuen Provinzialstraße von Köln nach Bonn, anstatt die bestehende, aber völlig überlasteten Landstraße zu renovieren (siehe Bilder 1 - 3 in der Bildergalerie unten). Der Neubau sollte durch keine Ortschaft führen und nur eine direkte Anbindung an das allgemeine Straßennetz bei Wesseling haben, um dem schnellen und dichten Kraftwagenverkehr vom langsamen Orts- und Nahverkehr mit Zugtiergespannen, Motorrad- und Radfahrern, Handkarren sowie Fußgängern zu trennen.
Damit wurde eine damals in vielen Städten diskutierte Idee verwirklicht, nah beieinander liegende Städte mit einer Schnellstraße für Kraftfahrzeuge zu verbinden, z. B. Braunschweig – Hannover, Köln – Aachen, Leipzig – Halle oder Mannheim – Heidelberg. Im Vordergrund der Überlegungen stand immer die nachhaltige Verbesserung der Verkehrsbedingungen für Kraftfahrzeuge und das Separieren des regionalen Durchgangsverkehrs vom örtlichen Verkehr. Dazu durften die Kreuzungen mit querenden Feldwegen, Straßen und Eisenbahnstrecken auf keinen Fall in einer Ebene liegen (Plankreuzungsfreiheit) und möglichst wenige Zufahrtsmöglichkeiten bereitgestellt werden.
Neubau der Provinzialstraße
Voraussetzung für die Baufreigabe durch den Provinziallandtag war die Anerkennung des Baus als Notstandarbeit. Nur dann war eine Grundförderung vom Landesarbeitsamt der Rheinprovinz, und ferner anteilige Fördergelder des Landes Preußen und der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Form von Darlehen zu erhalten. Insgesamt wurden für den Straßenbau Köln - Bonn Mittel der sogenannten "wertschaffenden Erwerbslosenfürsorge" in Höhe von 3,780 Mio. RM bewilligt (630T Grundförderung, 3,150 Mio. RM als zinsgünstige Darlehen). Den Rest von 4,82 Mill. RM brachte die Provinzialverwaltung aus dem laufenden Haushalt bzw. durch Mittelaufnahme über Anleihen am Kapitalmarkt auf. Das sicherte die Durchführung des Baus trotz der massiven Finanzkrise im Jahr 1931. Die Einweihung der Kraftwagenstraße fand am 8. August 1932 statt.
Baustrukturen
Zweigelenkbrücke zur Überführung der Höheweges (Quelle: Kraftwagenstraße Köln-Bonn, S. 18)Für die Fahrbahn der Kraftwagenstraße Köln – Bonn wurde zunächst nur eine wassergebundene Schotterdecke (Chaussierung) mit bituminöser Oberflächenbehandlung (Streumakadam) geplant, weil die endgültige Deckschicht erst nach Setzung des Planums aufgebracht werden sollte. Wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise entschloss sich die Bauleitung jedoch, 18,5 km der Fahrbahn mit einer widerstandsfähigeren Decke aus Teermischmakadam (Teerschotter) zu versehen, die nach damaliger Erfahrung mehrere Jahre halten würde. Eine kurze Strecke von 1,5 km in einem Straßeneinschnitt kurz vor dem Straßenende bei Bonn erhielt eine auf kieshaltigem Untergrund verlegte Kleinpflasterbefestigung aus Basalt. Für die Sicherung des Querverkehrs wurden drei Überführungen und 28 Unterführungen errichtet.
Vorbild und Unterschiede
Zu- und Abfahrt Wesseling (Quelle: Kraftwagenstraße Köln - Bonn, S. 20)Vorbild für die Kraftwagenstraße Köln – Bonn war die "Autostrada" Mailand – Oberitalienische See, deren erster Abschnitt 1924 für den Verkehr freigegeben wurde. Mit ihr gibt es einige Gemeinsamkeiten: Die Führung durch nicht bebautes Gelände, jedoch nahe einer existenten Straße; die durch einen weißen Mittelstrich getrennten Richtungsfahrbahnen, plankreuzungsfreie Anschlussstellen und einige andere Konstruktionsmerkmale. Gleichwohl sind die Unterschiede nicht zu übersehen: Die italienische Fahrbahn wurde – analog zu dem in den USA praktizierten Verfahren – ausschließlich aus bis zu 20 cm starkem Beton direkt auf dem planierten Untergrund hergestellt. Hingegen erhielt die Strecke Köln – Bonn eine Fahrbahndecke von 5 – 6 cm Teerschotter mit Teersplittabdeckung. Die Unterlage bildete eine 20 cm hohe Packlage aus Grauwackensteinen mit einer darüber gelegten, 10 – 12 cm dicken und stark gewalzten Schicht aus Grob- und Kleinschlagschotter.
Deutliche Gegensätze zeigten sich auch bei Zweckbestimmung und Nutzung der Straßen: Die oberitalienischen ‚Autostrade’ waren vor allem für den Fremden- und Ausflugsverkehr gebaut worden, während die Strecke Köln – Bonn dem starken Wirtschaftsverkehr diente. Für den Gebrauch der ‚Autostrade’ musste eine Gebühr bezahlt werden, während die deutsche Kraftwagenstraße aufgrund der öffentlichen Finanzierung kostenlos zu befahren war.
Nutzung
Demonstration für die Nutzung der beiden Richtungsfahrbahnen der Kraftwagenstraße Köln - Bonn (Quelle: Ingrid Strohkark, Wahrnehmung von "Landschaft", Dissertation, Berlin 2001 (Online-Publikation)Eine Verordnung verbot Motorrädern die Benutzung der Kraftwagenstraße Köln - Bonn. Nach der Eröffnung der Verbindungsstraße kam es immer wieder zu Unfällen, weil die Kraftfahrer zumeist die linke Fahrbahn der zweistreifigen Straße benutzten und beim Überholen den weißen Mittelstrich überfuhren.
Das nebenstehende Demonstrations-Foto zeigt, dass auf den beiden 6 m breiten Richtungsfahrbahnen durchaus Überholvorgänge ohne Überfahren des weißen, 30 cm breiten Mittelstreifens möglich gewesen wären. Allerdings dürfte der maximal mögliche Abstand zum überholten Fahrzeug bei höherer Geschwindigkeit für die meisten zeitgenössischen Autofahrer zu gering gewesen sein. In der Tat kritisierten renommierte Planer bereits vor der Eröffnung der Kraftwagenstraße die zu geringe Fahrbahnbreite und die fehlende Trennung der Richtungsfahrbahnen durch einen begrünten Mittestreifen.
Diese beiden Mängel wurden in den technischen Parametern des Reichsautobanbaus vermieden (Fahrbahnen je 7,50 m breit, Mittelstreifen 3,5 bis 5 m breit.
Warum wurde die Kraftwagenstraße Köln - Bonn nach 1933 nicht zur Autobahn heraufgestuft?
In der Literatur wird immer wieder beklagt, dass die NS-Machthaber die Kraftwagenstraße Köln - Bonn bewusst zu einer Landstraße degradiert hätten, obwohl es sich doch um die erste Autobahn in Deutschland gehandelt habe. Zur differenzierten Beurteilung dieses Sachverhalts dienen die folgednen Gedanken.
1. Zuerst ist darauf hinzuweisen, dass es vor 1933 im Prinzip nur zwei Straßenarten gab: Landstraßen und Gemeindestraßen. in Preußen trugen die Provinzialverwaltungen oder untergeordnete Gebietskörperschaften die Verantwortung für die Landstraßen, in den übrigen deutschen Ländern die Landesregierungen und die dafür bestimmten Straßenbehörden. Insofern hießen Landstraßen in Preußen "Provinzialstraßen". Zur Unterscheidung bedeutender überregionaler Straßen von regional/lokalen Straßen kamen um 1930 die Begriffe "Straße I. Ordnung" bzw. "Straße II. Ordnung" auf. Eine Provinzial- oder Landstraße war demnach kein unbedeutender Verkehrsweg, sondern spielte in einer preußischen Provinz eine wichtige Rolle für den Wirtschafts- und Städteverbindunfsverkehr.
2. In diesem Zusammenhang ist auch die rechtliche Seite zu beachten. Eine Umwidmung der Kraftwagenstraße Köln – Bonn zur Reichsautobahn hätte gravierende Eingriffe in bestehende Rechtsverhältnisse zur Folge gehabt. Eigentümerin der Köln-Bonner Kraftwagenstraße war die Rheinprovinz. Ihr Parlament hatte den Bau genehmigt, und die Provinzialverwaltung hatte mit 4,82 Mio. Reichsmark Eigen- und Anleihemitteln die Finanzierung sichergestellt. Ferner war die Provinz der Garant für Verzinsung und Rückzahlung des verbilligten Darlehens von 3,15 Mio. Reichsmark der Reichsanstalt für Arbeits- vermittlung und Arbeitslosenversicherung. Hätte die Gesellschaft „Reichsautobahnen“ die Strecke Köln – Bonn in das Reichsautobahnnetz eingliedern wollen, so hätte sie die von der Provinzialregierung für den Bau eingesetzten Mittel sofort ablösen und für das Darlehen einen neuen Vertrag abschließen müssen.
3. Andererseits hatte Fitz Todt, der Generalisnpektor für das deutsche Straßenwesen, aller Wahrscheinlichkeit nach auch wenig Interesse daran, die 1932 eröffnete Köln-Bonner Nur-Autostraße als Autobahn einzustufen, weil sie weder in das konzipierte deutsche Autobahnnetz noch in das ab Herbst 1933 gültige technische Raster des Autobahnbaus passte. Ein sofortiger Umbau nach diesen Standards hätte hohe Kosten verursacht, Fachpersonal gebunden und gleichzeitig bestätigt, dass bereits vor der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland eine Autobahn vorhanden gewesen war. In den Autobahnplanungen des NS-Staates galt diese Städteverbindung als Nebenstrecke; Priorität hatten die Autobahnverbindungen Köln – Ruhrgebiet und Köln – Frankfurt am Main.
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