ViaStoria RheinMain - Autobahn- und Straßengeschichte
ViaStoria RheinMain
Oktober 2014
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Eine Autobahn verliert ihren vertrauten Charme
Die grunderneuerte A5 wurde auf staufreien Verkehrsfluß und hohe Geschwindigkeit getrimmt
Die Grunderneuerung einer alten Autobahn ist eine radikale Sache. Die Fahrbahnen werden bis auf den gewachsenen Boden abgetragen, Brücken werden an- oder neu gebaut, Radien werden verändert, Fahrbahnen werden auf den geltenden Regelquerschnitt ausgelegt und ggf. völlig neu trassiert. Mit anderen Worten: Von den früheren Autobahnstrukturen bleibt in einem solchen Fall so gut wie nichts mehr übrig. Verkehrshistoriker und Autobahn-Enthusiasten haben es danach schwer, Überreste aus der Vergangenheit zu finden. Oftmals bleiben nicht einmal die Brückenbücher übrig, wenn eine Brücke abgerissen und neu gebaut wurde. Nur alte Pläne und Fotos erinnern dann noch an den ursprünglichen Zustand.
Es ist ein großer Glücksfall, wenn das zuständige Straßenbauamt vor dem Totalumbau eine Bild-Dokumentation des Ausgangszustandes vornimmt, wie das hier geschehen ist. Die folgenden Fotos zeigen beispielhaft einen Streckenabschnitt bei Alsfeld in Fahrtrichtung Süd ohne Seitenstreifen. Auf er linken Trasse drückt sich die alte Betonfahrbahn von 1938 durch die in den 1960er Jahren aufgebrachte Bitumendecke hindurch.
Der letzte, rund 10 km lange Bauabschnitt der grunderneuerten Autobahn A 5 zwischen Gambacher Kreuz und Hattenbacher Dreieck wurde am 22. September 2009 mit einem kleinen Festakt an der Anschlussstelle Homberg (Ohm) offiziell dem Verkehr übergeben. Damit existiert in Hessen keine originäre Autobahnstrecke aus den 1930er Jahren mehr.
Einweihungsfeier
Natürlich ließ es sich der hessische Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, Dieter Posch, und der seit kurzem amtierende Präsident des hessischen Landeamtes für Straßen- und Verkehrswesen, Burkhard Vieth, nicht nehmen, bei diesem wichtigen Termin persönlich anwesend zu sein. Das BMVBS war durch den Parlamentarischen Staatssekretär Ulrich Kasparick vertreten. Die regionale und lokale Verwaltungsprominenz, die am Bau beteiligten Straßenbauer, die Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes und des zuständigen ASV Schotten sowie der Autobahnmeistereien füllten das neben dem Salzhaus errichtete Festzelt bis auf den letzten Platz.
Wie in solchen Fällen üblich, war in den Reden von „dauerhafter Sicherung der Mobilität“ und „Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen“, vom „volkswirtschaftlichen Nutzen leistungsfähiger Infrastrukturen“, von „kürzeren Transportzeiten, niedrigeren Transportkosten und besseren Marktchancen“, von „Verkehrssicherheit“ und nicht zuletzt vom „staufreien Hessen“ zu hören. All das trifft sicherlich zu, denn dieser Autobahnabschnitt war in den letzten Jahren ein ausgesprochener Stau- und Unfallschwerpunkt gewesen, seit der DTV nach 1989 auf etwa 60.000 Fahrzeuge pro Tag angestiegen war (zum Vergleich: A 5, Strecke Friedberg – Nordwestkreuz Frankfurt rund 120.000, A 66 Frankfurt – Wiesbaden rund 160.000, Frankfurt Kreuz mehr als 310.000 Fahrzeuge/24 Stunden). Bis heute ist die alte HAFRABA-Strecke das Rückgrat des deutschen Autobahnverkehrs.
Nach den Ansprachen folgte das bekannte Ritual für die Verkehrsfreigabe der Strecke. Gemeinsam zerschnitten die Honorationen das über die noch nicht ganz fertiggestellte westliche Abfahrt der AS Homberg (Ohm) gespannte Band. Die Protagonisten waren sich dabei wol kaum bewusst, dass das Vorbild für diese Zeremonie die Einweihung der ersten Teilstrecke der Reichsautobahn Frankfurt – Darmstadt am 19. Mai 1933 in Frankfurt war. Allerdings nahm damals ein schwerer PKW ein weißes Band mit, das von zwei Parteigenossen gehalten wurde.
Eindrücke von der sechsstreifig ausgebauten A5
Die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse hinterlässt trotz der zweifellos sehr großer Bemühungen um Ausgleichsflächen, Regenrückhaltebecken, Aufforstungen, Straßenbegleitgrün u. ä. unübersehbare Spuren in der Landschaft. Jetzt fährt man auf einer breiten, ‚aufgeräumten’ und übersichtlichen Autobahn, und genau deshalb mutet sie im Vergleich zu der alten Trasse technokratisch und ‚kalt’ an. Das gilt auch für die von gewachsenem Buschwerk und Wald gesäumten Passagen – ein Tribut an die heutigen Verkehrsbelange.
Wegen der unmittelbaren Nähe der Richtungsfahrbahn nach Kassel zur Gemeinde Lumda musste an dieser Stelle eine Lärmschutzwand errichtet werden. Die Lage der alten Trassenführung wurde beim Umbau kaum verändert, doch vergrößerten die Planer ab dem Reiskirchner Dreieck die Halbmesser bei Kuppen und Wannen, so dass sich die Befahrbarkeit der Strecke erheblich verbesserte.
Das beim Aufbruch der Beton- und Asphaltfahrbahnen gewonnene Material wurde zerkleinert und als Trag- bzw. Frostschutzschicht unterhalb der neuen Beton- und Asphaltschichten eingebaut. Damit entfielen Kauf und Transport von Schottermaterial. Die Tragfähigkeit des Unterbaus wurde durch Beimischen von Kalk- und Zementbindemittel für die Dauerbelastung durch den LKW-Verkehr deutlich erhöht.
Zeitgemäße Wahrzeichen an der Anschlussstelle Homberg (Ohm) sind heute vier große Windräder, die ihren hoch subventionierten Öko-Strom in das allgemeine Netz einspeisen. Sie könnten vermutlich das westlich der AS Homberg (Ohm) neu entstandene Gewerbe- und Industriegebiet mit Autohof, Fast-Food-Restaurant usw. probelmlos mit Strom versorgen – sofern der Wind weht ...
Erinnerung an einen verschwundenen Solitär
Es handelt sich um einen sehr markanten Baum, der sofort auffiel, wenn man in Fahrtrichtung Kassel die Kuppe nach der früheren Aanschlussstelle Homberg (Ohm) passiert hatte. Der Baum, vermutlich eine Linde, stand am östlichen Autobahnrand und markierte gewissermaßen den Übergang vom hügeligen Mittelhessen in das bergige Oberhessen.
Dieses Wahrzeichen fiel bedauerlicherweise wie viele weitere Pflanzen aus der Reichsautobvanzeit der Grunderneuerung zum Opfer, da die Verbreiterung der A 5 überwiegend auf der Ostseite erfolgte.
Bad Homburg v. d. Höhe, Oktober 2009
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